Mit The Witcher 2 wird die brutale und auch recht erotische Geschichte des mächtigen Helden fortgesetzt - auf opulente und sensationell gute Art und Weise.
Wie die Zeit vergeht
Nach den letzten Ereignissen aus The Witcher sind nur einige Wochen vergangen. In Form eines wunderbar inszenierten Prologs erfährt man alle wesentlichen Hintergründe, den ersten Teil muss man für The Witcher 2 nicht zwingend kennen. Wieso Geralt nach der Schlacht um die Burg der Baronesse La Velette im Gefängnis landet und auch die Verbündeten, darunter die Hexe Triss Merigold, nicht behilflich sein können, wird dramaturgisch spannend vermittelt.
Danach gewinnt die Geschichte rasant an Fahrt und die ersten Entscheidungen des frischen bzw. neu geborenen Protagonisten stehen an. Denn dieses Mal kann man sich wieder für mehrere Wege entscheiden, die den Verlauf der Handlung und auch das Ende maßgeblich beeinflussen. Die 16 verschiedenen Abschlüsse von The Witcher 2 dürften den Wiederspielwert, zum Beispiel auf höheren Schwierigkeitsgraden, deutlich anheben.
Wer The Witcher damals ignoriert hat und Schwierigkeiten mit den historischen Fakten besitzt, kann übrigens jederzeit in einem Glossar Fakten nachlesen und so mehr über die wichtigsten Charaktere erfahren. Praktisch. Kenner dagegen freuen sich natürlich über die Rückkehr beliebiger Figuren. Und es macht sogar Sinn, den Spielstand von The Witcher in das Sequel zu transferieren. Der Beziehungen zwischen Geralt und beispielsweise seinen Liebschaften bleiben dadurch erhalten. Eine witzige und sinnvolle Idee!
Die Änderungen
Glänzte The Witcher noch mit einem recht taktischen und für das Genre eher ungewöhnlichen Kampfsystem, bei dem Timing auf der Tagesordnung stand, überrascht The Witcher 2 durch ein deutlich entschlacktes Konzept. Ähnlich wie bei Two Worlds 2 oder anderen Action-Rollenspielen der letzten Jahre wird emsig mit den beiden Maustasten geschnetzelt, unterschieden wird hier zwischen leichten und harten Attacken. Anspruchsvoll werden die Kämpfe vorrangig durch die clever agierenden KI-Gegner. The-Witcher-Profis müssen sich also etwas umgewöhnen, was allerdings recht schnell klappt - sofern man sich zu Beginn nicht gleich für einen höheren Schwierigkeitsgrad entschieden hat.
Nicht nur ein visuelles Highlight sind die magischen Talente des Hexers. Mit Telekinese schleudert er Druckwellen gen Feind, Feuer knallt aus seinen Händen oder er schützt sich mit einer Energieaura. Er kann optional auch Gespräche, die in der Welt von The Witcher 2 von großer Bedeutung sind, auch durch seinen Charme positiv beeinflussen.
Hinzugekommen sind Wurfwaffen, Fallen und Bomben - all diese Dinge kann man im Verlauf mehr oder weniger nutzen, wenn man den Fokus darauf legt. Und mit Geralts Alchemie-Fähigkeiten braut er auch gerne mal hübsche Tränke zusammen. Nach jedem Levelaufstieg durch gewonnene Erfahrung können sämtliche Fertigkeiten verbessert werden, das ist genretypisch und lässt dem Spieler ausgiebige Freiräume beim Formen des Charakters.
Einfach beeindruckend!
Was ist an The Witcher 2 nun so beeindruckend? Es ist vor allem die einzigartige Spielewelt, die an jeder Ecke trotz ihrer Fantasy-Anleihen unglaublich authentisch wirkt. Die Kreaturen, die spielerischen Möglichkeiten, die Quests abseits der eigentlichen Kämpfe und die Endboss-Metzeleien - CD Projekt RED beweist eindrucksvoll, wie ein tiefgründiges Rollenspiel-Drama für Erwachsene auszusehen hat.
Dass dabei auch Sex und Rassenhass thematisiert werden, zeigt auch die Bemühungen der Entwickler, etwas Besonderes erschaffen zu wollen. Und tatsächlich ist dieses Experiment geglückt, vor allem weil es bei The Witcher 2 oftmals nicht klar ist, zwischen „Gut“ und „Böse“ zu differenzieren. Hier machen es sich andere Genrevertreter deutlich leichter - und bleiben daher auch viel oberflächlicher als dieses polnische Werk.
Technisch legte The Witcher 2 dank einer völlig neuen Grafikengine auch noch zu. Zwar sollte niemand eine völlig frei besuchbare Welt, wie ursprünglich mal versprochen, erwarten, doch auch so ist das gesponnene Universum sehr groß und dürfte locker über 30 Stunden unterhalten. Schön ist auch, dass die Macher auf einen Mehrspieler-Modus komplett verzichteten und sich stattdessen auf die wendungsreiche und intelligente Solo-Kampagne konzentrierten.
Und das merkt man zu jeder Zeit!
Da sieht man gerne mal über ein paar kleinere Grafikfehler und ein wenig optimales Zielsystem hinweg. Übrigens: The-Witcher-Fans dürften sich ein wenig wundern. Für The Witcher 2 erhielt Geralt eine andere deutsche Synchronstimme. Schlecht oder gar völlig anders ist diese glücklicherweise nicht.
Alles in allem ist The Witcher 2 in jedem Fall ein beeindruckendes Rollenspiel geworden, das aufgrund der alles anderen als dezenten Gewalt, der unzähligen sexuellen Anspielungen und der oftmals krassen Ausdrucksweise der Charaktere nichts für Kinder ist. Wer dagegen mindestens 16 Jahre alt ist und auf einem reifen Niveau unterhalten werden möchte, bekommt derzeit kaum ein besseres Spiel.