Trotzdem: Während andere Bands mit derartigen Versuchen in Pathos versinken, schüttelt der Dreier aus Chicago so einen Ohrwurm nach dem anderen aus dem Ärmel. Was aber nicht heißen soll, My Shame is True versinke im Drei-Akkorde-Sumpf. Im Gegenteil: Gesanglich waren Matt Skiba (Gitarre) und Dan Andriano (Bass) nie besser. Und für das treibende „I, Pessimist“ hat sich mit Tim von Rise Against ein prominenter Gast-Shouter ins Studio verirrt. Für die erste Single-Auskopplung „I wanna be a Warhol“ haben die Jungs dann nicht nur den Synthesizer ausgegraben und verzaubern den Hörer mit bestem 80er-Charme. Für den zugehörigen Videoclip konnte die Band keine Geringere als Resident Evil-Protagonistin Milla Jovovich gewinnen. Warum dem Trio dennoch der berüchtigte große Durchbruch bisher verwehrt blieb, liegt wohl an ihrem Faible fürs Düstere. Und das obwohl die Platte mit „Only Love“ oder „Young Lovers“ auch ein paar fast schon schmalzige Midtempo-Nummern bereithält, die auch bei 13-jährigen Zahnspangenträgerinnen nicht auf taube Ohren stoßen dürften.
Insgesamt wirkt die neue Alkaline Trio-Scheibe wie eine Symbiose aus Good Mourning und Crimson. Textlich aber noch ein Stück persönlicher, musikalisch nochmal eine ganze Ecke poppiger. Dennoch geht den 12 Songs zu keiner Zeit die Luft aus, was wohl auch daran liegt, dass Bill Stevenson (Descendents) hinter den Reglern Platz genommen hat, der unter anderem auch das aktuelle Hot Water Music-Album Exister produziert hat. Aber machen wir uns nichts vor: Auch an dieser Platte werden sich wieder die Geister scheiden. Für die einen bringen Alkaline Trio eben eine längst überfällige frische Prise in das Genre, in den Augen der anderen liefern die Drei eben doch nur den Soundtrack für rumknutschende Teenager. Doch auch sie sollten Probe hören.
![alkalinetrio artikelbild1](/images/alkalinetrio_artikelbild1.jpg)