1378 (km): Politik bezeichnet Mauerschützen-Shooter als Killerspiel Bild: elorx.com

1378 (km): Politik bezeichnet Mauerschützen-Shooter als Killerspiel

Der Spieleentwickler Jens M. Stober studiert derzeit Medienkunst und wollte ursprünglich am 3. Oktober sein erstes Projekt veröffentlichen, das auf den Namen 1378 (km) hört. Ein Shooter, basierend auf der Half-Life 2-Engine, soll es werden, doch das Thema ist brisant - gerade zum 20. Feiertag des Mauerfalls. Denn in dem Mehrspieler-Titel darf man auf der Seite der DDR-Mauerschützen gegen Flüchtlinge vorgehen oder alternativ in die Haut eines Staatsfeindes der Deutschen Demokratischen Republik schlüpfen.

1378 (km) ist ein so genanntes Serious Game, es möchte also vor allem jüngere Spieler das düstere Kapitel der deutschen Geschichte näher bringen. Bis zu 16 Teilnehmer können gegeneinander kämpfen und Rollen übernehmen, die Menschen im Jahr 1976 darstellen. Als Flüchtling muss man einzig und allein über die Mauer lebend kommen, als Grenzsoldat dagegen soll man Flüchtlinge verhaften oder auf sie schießen.

Stober recherchierte ausgiebig das schwierige Thema, um ein möglichst glaubwürdiges Szenario zu erschaffen, in dem „..man sich selbst hinterfragen...“ soll. Die elementare Frage „Wie verhalte ich mich?“ sollen sich die Spieler stellen. Und wer einen Flüchtling tötet, wird auch im Spiel der Mauerschützenprozess gemacht - im virtuellen Jahr 2000. Diverse Texte sollen zudem über die Ereignisse an der DDR-Grenze aufklären, auch legt Stober viel Wert auf eine Detailtreue und einen gewissen Realismus.

Genau dies sorgt schon jetzt für Kritik seitens der Politik. Markus Meckel von der SPD bezeichnete 1378 (km) als „makaber und skandalös“, sein Kollege Norbert Geis (CSU) meint nur: „Im Grunde ist und bleibt es ein Killerspiel“. Hubert Knabe, der Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, erstatte Anzeige, die Staatsanwalt soll jetzt prüfen, ob das Spiel gewaltverherrlichend sei. Bedenklich sind die Reaktionen in jedem Fall, schließlich wurde das Spiel noch nicht einmal veröffentlicht.

Dagegen wird 1378 (km) nicht gleich von allen Politikern verteufelt. Jimmy Schulz (FDP) empfindet die Software als „mutig und interessant“, Thorsten Albrecht von Studierendenverbund RCDS (CDU) wünscht sich, dass der Titel frei verfügbar sein wird. Seine Ansicht dazu: „Die Aufregung der Opfer ist verständlich, die der Politiker scheinheilig. Die Zielgruppe ist Jugend ohne persönliche DDR-Erfahrung. Niemand sollte vorab ein Urteil darüber fällen, ob dieses Spiel zur Vergegenwärtigung der deutschen Teilung unpassend oder einer angemessenen Würdigung abträglich sei. [...] Viele derer, die sich jetzt zu Wort gemeldet haben, müssen einsehen, dass sie keinen exklusiven Anspruch auf den Umgang mit deutscher Geschichte haben. Wenn sich einem Teil der Jugend auf diese Weise deutsche Geschichte besser erschließt, dann ist das Programm 1378 (km) dadurch ein Gewinn für die Allgemeinheit.“

Traurig ist dennoch, dass sogar die Hochschule Karlsruhe, an der Stober studiert, nicht zu 1378 (km) steht, was auch daran liegt, dass sich wohl Grenzschützen-Opfer und deren Angehörige von dem Spiel verletzt fühlen. Daher ist noch völlig unklar, ob Stober das Werk tatsächlich am 3. Oktober 2010 im Internet zum Download bereit stellen wird. Von der Webseite des Spiels wurden bereits alle Materialen, darunter Screenshots und ein Trailer, entfernt. Der Entwickler hält es für recht unwahrscheinlich, dass das Spiel pünktlich veröffentlicht wird - vor allem aufgrund der Berichterstattung der BILD, die 1378 (km) als „widerwärtig“ bezeichnete. Eine offene Beta soll aber in Kürze starten.

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