Was macht einen guten Shooter eigentlich aus? Innovatives Gameplay? Ganz sicher. Unkonventionelles Setting? Auch das. Überschwänglicher Patriotismus? Wohl eher nicht. Da ist es umso erfrischender, wenn man als Genre-Freund ausnahmsweise mal etwas Abwechslung auf den Bildschirm kriegt. Fern von US-Flaggen-schwingenden Vorzeige-Soldaten wie man sie als Freund bleihaltiger Spielekunst zweifelsfrei aus Call of Duty und dergleichen kennt. Spec Ops: The Line ist so ein Spiel, das anders tickt. Trotz unkonventionellem Ansatz macht einem das Game den Einstieg dank kontinuierlichem Spannungsbogen erstaunlich leicht.
Eine Weltstadt am Ende
Dubai – für viele ein Paradies. Die Megastadt am Persischen Golf bietet von malerischen Sandstränden bis zu pervers pompösen Luxushotels alles, was das Herz der betuchten Touristen begehrt. In Spec Ops: The Line trifft das alles nur bedingt zu. Die Metropole wurde von heftigen Sandstürmen heimgesucht, die meisten mussten fliehen. Wer’s nicht geschafft hat, wurde für tot erklärt. So auch das 33te Batallion unter Aufsicht von Colonel John Konrad, das mit dem Einzug der Umweltkatastrophe mit einer Rettungsaktion betraut wurde und seitdem verschwunden ist. Nun soll Protagonist Captain Martin Walker mit seinen beiden Kameraden Lugo und Adams der Sache auf den Grund gehen – und im gleichen Zug die restlichen Überlebenden bergen. Am Einsatzort angekommen, wird der Sondertrupp anstelle offener Arme jedoch mit blauen Bohnen empfangen.
In bester Third-Person-Shooter-Manier geht’s also den ersten, taktisch klug agierenden Gegnern an den Kragen. Die Steuerung ist schnell verinnerlicht, das kennt man bereits von den Genre-Kollegen: Die Analogsticks dienen der Charakter-Navigation und dem Zielen, Schultertasten dem Zielen und Schießen. Die Action-Buttons sind derweil für Deckung und Nachladen da. Die Inszenierung: brutal, nicht aber verherrlichend. Zahlreiche, gut eingedeutschte Dialoge zwischen den Protagonisten und die passende rockige Musikuntermalung im Stile von Apocalypse Now sorgen für die nötige Authentizität. Trotzdem wäre bei der Charakterentwicklung trotz einiger, zugegeben eher oberflächlichen, Moralentscheidungen noch etwas mehr drin gewesen. Letzteres hat zur Folge, dass die vom Hersteller 2K Games propagierte Kriegskritik schon bei Zeiten ein wenig auf der Strecke bleibt. Hier verschenkt Yager Potenzial. Hingegen schön: Die abwechslungsreichen, heruntergekommen Kulissen verleihen dem Bild der gefallenen Megastadt, von ein paar kleineren Macken abgesehen, grafisch einen schönen und passenden Anstrich.
Schonungslos
Drei verschiedene Enden sorgen für den nötigen Wiederspielwert und ein annehmlicher Multiplayer-Modus für bis zu 16 Spieler mit den bekannten Modi hält den Spieler auch nach Abschluss der Kampagne bei der Stange. Cool: Pünktlich zur Veröffentlichung steht ein kostenloser Download-Inhalt bereit, der einen Vier-Spieler-Koop-Modus samt vier Missionen implementiert.
Wohl wahr, Yager Development liefern mit ihrem neuesten Werk einen soliden Shooter ab, der nicht nur spielerisch größtenteils überzeugt, sondern auch einen interessanten und vor allem für das Genre wichtigen Ansatz liefert. Weg vom übertriebenen Nationalgefühl, hin zur authentischen und abstoßenden Kriegsdarstellung. Da verzeiht man auch die teils weniger helle KI der Kameraden und gelegentlich farbarme Texturen.