Kapadias Doku Amy zeichnet den Werdegang der Sängerin mithilfe von Home-Videos, Konzert-, Studio- und Interviewaufnahmen chronologisch nach. Zu Wort kommen vor allem Amys Ex-Mann Blake Fielder-Civil, zwei enge Freundinnen sowie Bodyguard Andrew Morris.
Die Frau, der man erklären musste, dass sie ein Star ist
Der Film beginnt mit einem etwas pummeligen, kichernden Teenager, der seiner Freundin ein Geburtstagsständchen singt. Wäre da nicht diese gewaltige Stimme, erinnert den Zuschauer nichts an den Menschen, der später aus Amy Winehouse wurde. Eines wird schnell klar: Zurückhaltend und voller Selbstzweifel war die Sängerin auch vor Beginn ihrer Karriere. „Ich glaube nicht, dass ich jemals berühmt sein werde, ich könnte damit nicht umgehen, ich würde wahrscheinlich verrückt werden“, teilt sie damals einem TV-Journalisten mit. Dazwischen liegende Konzertaufnahme von kleinen Festivals und Underground-Clubs zeugen von Zufriedenheit; von einer musikalischen Heimat, die Winehouse an diesen Orten fand.Was folgt sind Szenen, die im Nachhinein als prognostiziertes Schicksal ihrer Worte anmuten. Auch wenn diese Art der Montage etwas pathetisch wirkt, wären die Bilder gut ohne vorausgegangenes Interview-Zitat ausgekommen. Kapadia hangelt sich nach und nach an Amys Werde- oder besser: Untergang entlang. Die Dokumentation lebt von tragischen Privataufnahmen. So beispielsweise eine Mailboxaufzeichnung, bei der eine offensichtlich betrunkene Amy Winehouse ihrem Bodyguard das Herz ausschüttet. „Das ist ein Mensch, der versucht, zu verschwinden“, hört man diesen aus dem Off sagen, während Kapadia die völlig zugedröhnte Winehouse während ihres skandalösen Konzerts in Belgrad zeigt. Ähnlich verstörend: Jene Aufnahme, die Amy bei der Bekanntgabe ihres Grammy-Gewinns präsentiert. Ist sie doch die einzige, die regungslos zwischen all den jubelnden Zuschauern und ihrer feiernden Band steht.
Dennoch zeichnet Kapadia ein Bild der Sängerin, das nicht den Eindruck erweckt, als wäre Amy Winehouse der Öffentlichkeit zum Opfer gefallen. Den Beweis hierfür liefert eine Privataufnahme zu Beginn der Dokumentation, in der die junge Amy ihrer filmenden Freundin die rhetorische Frage stellt, ob sie Cannabis ernsthaft für eine Droge halte.
Fazit
Wer die Künstlerin Amy Winehouse vor Kapadias Film nur aufgrund ihrer Skandale kannte, wird dem Menschen Amy Winehouse nach der 127-minütigen Dokumentation ein Stück näher sein. Dem Regisseur gelingt es, einen Menschen zu porträtieren, der sich zwischen den Extremen bewegte. Kapadia findet einen Mittelweg zwischen Paparazzi- und Privataufnahmen, sodass er den Respekt vor der Künstlerin wahrt. Er nimmt größtenteils Abstand von degradierenden Konzertmitschnitten und doch zeigt er schonungslos, wie sich Winehouse und Ex-Mann Blake blutverschmiert nach einer Rauferei präsentieren. Man muss kein Amy Winehouse-Fan sein, um an der Dokumentation Gefallen zu finden. Obwohl jedem ihr Ausgang klar ist, lässt Kapadias Werk den Zuschauer betroffen zurück. Getreu dem Song „Rehab“ wird am Ende jeder ernüchtert feststellen müssen, welch verletzliche Seele hinter dem Menschen Amy Winehouse steckte.
Amy - The Girl behind the Name startet am 16. Juli 2015 in den deutschen Kinos.