Heldin Aloy, der wir aus der Third-Person-Perspektive über die Schulter blicken, ist so eine Ausgestoßene. Aber immerhin steht sie kurz vor ihrer Erprobung – einem Ritual, das geborene Ausgestoßene begehen, um eine Chance auf eine Eingliederung zu haben. Und die ist begehrt, denn wie Stephen King sagen würde: Die Welt hat sich weiterbewegt. Außerhalb der Stadtmauern ist die Welt trist. Die Technik der Vergangenheit läuft Heldin Aloy nur noch in Form feindlich gesinnter Roboterwesen über den Weg, die an Dinosaurier erinnern und aus Krieg der Welten entsprungen sein könnten.
Schleichen, draufhauen und alles dazwischen
Und diese Phase vor dem wichtigen Tag erlebt der Spieler als Tutorial in einem Gebiet, das die NPCs als Becken bezeichnen. Wie in Zelda: Breath of the Wild auf dem verlassenen Plateau führt Entwickler Guerilla Games den Spieler an die grundlegenden Gameplay-Mechaniken, das komplexe Kampfsystem heran. Das Herzstück: der Fokus – eine Art Augmented-Reality-Tool, das Details in der postapokalyptischen Welt anzeigt. Und auch Gegner-Schwachstellen.Allerdings ist es mit Draufhalten nicht getan. Aloy nimmt die Widersacher mit ihrem Fokus aufs Korn, studiert Laufrouten, lenkt Gegner ab, überfällt sie, fängt sie sogar – all das verlangt eine gewisse Einarbeitung, offenbart sich nachher aber als wahnsinnig dynamisches Kampfsystem mit zig Möglichkeiten. Diese zu nutzen, ist auch nötig, denn jeder Gegnertyp verhält sich unterschiedlich. Der Wächter setzt seinen Schwanz als Waffe ein, der Plünderer beißt ordentlich zu. Je weiter das Spiel voranschreitet, desto taktischer müsst ihr agieren. Direkt mit dem Speer auf die Widersacher einzuprügeln, führt hier nicht zum Erfolg. Aloy tut besser daran, die großen Recken erst mit dem Seilwerfer zu fesseln und ihm Stolperfallen zu stellen, bevor sie ihn mit Nah- oder Distanzwaffen bearbeitet. Auch Anschleichen ist hierbei eine Option.
Das Erfolgserlebnis nach dem Sieg ist dafür umso höher, vor allem weil die Gegner wertvolle Beute fallen lassen. Beute, mit der Aloy Munition für ihren Bogen, Tränke oder sonstige nützliche Items herstellt oder sie bei Händlern gegen Ausrüstung eintauscht. Und weil wir es hier mit einem Rollenspiel zu tun haben, winken bei jedem überstandenen Scharmützel freilich auch Erfahrungspunkte, mit denen Aloy im Level aufsteigt und Spezialfähigkeiten lernt. Zum Beispiel Zielen im Zeitlupenmodus oder den Vorteil, mehr Beute zu finden. Unterm Strich bietet das Skillsystem haufenweise Möglichkeiten, um Aloys Entwicklung an den persönlichen Spielstil anzupassen.
Unterstützung von Veteranen
Apropos Rollenspiel: Nun sind die Entwickler von Guerilla Games ja nicht gerade für dieses Genre bekannt, machten sie sich doch mit den PlayStation-exklusiven Killzone-Games einen Namen. Aber die Holländer haben sich Hilfe geholt und beispielsweise Lead Quest Designer David Ford eingestellt, der vorher bei Bethesda an Skyrim mitgearbeitet hat. Das Quest-System erinnert deshalb in positiver Hinsicht eben auch an die The Elder Scrolls-Reihe. Und ähnlich wie in Skyrim gibt’s in der offenen Welt von Horizon Zero Dawn auch abseits der Hauptstory einiges zu entdecken und zu tun. Wer möchte, erobert Banditenlager, nimmt Nebenquests an, sammelt Collectibles und sucht bestimmte Orte auf, um Flashbacks in die Zeit vor der Apokalypse frei zu schalten. All das ist ungemein motivierend und pusht die Spielzeit locker in den hohen zweistelligen Stundenbereich. Vor allem, weil es in der detailreichen Spielwelt immer wieder was zu staunen gibt.In Sachen Grafik zählt Horizon Zero Dawn zu den schönsten PS4-Spielen überhaupt. Vor allem auf der PS4 Pro samt 4K-Fernseher. Geschmeidige Animationen, schöne Charaktermodelle und das gelungene Artdesign insgesamt – hier stimmt die Optik einfach. Einziger Wermutstropfen: Bei der deutschen Sprachausgabe ist es mit der Lippensynchronität oft nicht weit her. Abgesehen davon ist die Sprachausgabe aber gelungen und auch der Soundtrack passt stets zu Darbietung und Stimmung.