Herr Roland kam zum finstren Turm – das 29-ströphige Gedicht von Robert Browning inspirierte Stephen King zu seiner Der Dunkle Turm-Saga, die viele seiner Fans für das Beste halten, das er je geschrieben hat. In Textform umfasst die epische Geschichte, an der er über 30 Jahre schrieb, circa 5000 Seiten. Der Film dauert 95 Minuten – was ziemlich genau 95 Drehbuchseiten entsprechen dürfte. Klar, dass da Einiges auf der Strecke bleibt.
95 Minuten – das ist zum Beispiel zu wenig, um die Epik, von der Der Dunkle Turm lebt, auch nur anzureißen. Außerdem sind 95 Minuten zu wenig, um die Dynamik zwischen Roland, Eddie, Susannah und Jake glaubhaft rüberzubringen. Moment mal: „Eddie? Susannah? Wer soll das denn sein?“, werden die Turm-Neulinge fragen. Und das zurecht.
Geschrumpftes Ka-Tet
Die Mühe, eine Gruppe mit gemeinsamem Ziel – im Buch Ka-Tet genannt – aufzubauen, machen sich Regisseur und Autor Nikolaj Arcel sowie sein Co-Autor Anders Thomas Jensen gar nicht erst. Hier gibt’s nur Jake (Tom Taylor) und den Revolvermann (Idris Elba). Während die Neulinge das mangels Vorkenntnissen einfach hinnehmen, fragt sich der Fan, der die Bücher gelesen hat, natürlich, was es damit nun auf sich hat. Ist der Film eine Adaption oder setzt die Handlung nach dem Ende ein und versteht sich quasi als Fortsetzung der Bücher? Beides irgendwie. Der Film nimmt sich Stephen Kings Geschichte nur lose zur Basis, springt zwischen den einzelnen Romanen hin und her, verändert die Story und bastelt schließlich einen leicht verdaulichen Blockbuster daraus, der am Ende sogar in sich abgeschlossen ist – und den Spannungsbogen, den die Vorlage aufbaut, durch die gehetzte Inszenierung größtenteils ignoriert.Der ganze Teil an der Zwischenstation in der Mohainewüste aus Schwarz beispielsweise, wie Jake und der Revolvermann zusammenkommen und Roland den Jungen schließlich opfert, fehlt im Film. Um nur ein Beispiel zu nennen. Roland scheint die Suche nach dem dunklen Turm hier außerdem aufgegeben zu haben und will nur noch Walter O'Dim alias den Mann in Schwarz (Matthew McConaughey) erledigen. Jake kommt derweil auch im Film aus New York und wird wie in der Vorlage von Albträumen und Visionen geplagt. Vom Revolvermann, vom Mann in Schwarz und schließlich vom dunklen Turm. Seine Mutter (Katheryn Winnick) will ihn in eine psychiatrische Einrichtung einweisen, doch die freundlichen Helfer, die ihn abholen sollen, entpuppen sich als vom Mann in Schwarz gesendete niedere Männer, die ihn nach Mittwelt bringen sollen. Dort soll er mit seiner Gedankenkraft – die bei ihm besonders ausgeprägt ist – helfen, den dunklen Turm und damit alle Welten zu zerstören. Nach Mittwelt schafft er’s trotzdem, allerdings auf eigene Faust durch ein Portal, das er in einem verlassenen Haus findet. Roland, der den Mann in Schwarz verfolgt, liest den Jungen auf. Bei der gehetzten Inszenierung bleibt der Spannungsbogen, den die Bücher über die erwähnten Ereignisse aufbauten, natürlich komplett auf der Strecke.