Verfolgt
Eine Kostprobe: Die Protagonistin sitzt im Zug und schläft. Draußen ist es dunkel und es regnet, dicke Tropfen perlen an den Scheiben des Wagons ab. Der Spieler übernimmt die Kontrolle über Geist Aiden. Aus der Ego-Perspektive schwebt das immaterielle Wesen durchs Abteil, auf Knopfdruck wird Fahrgästen der Kaffee aus der Hand gerissen oder das Gepäck bewegt. Übernimmt der Spieler die Rolle des Geistes, sind er und Jodie durch eine Art Faden verbunden, Aidens Bewegungsradius ist begrenzt. Das Wesen kann allerdings noch mehr als Passanten ärgern. Dazu allerdings später weitere Details. Viel Zeit zum Ausprobieren der Spielmechaniken bleibt nämlich erst mal nicht – der Zug wird von mehreren Polizisten betreten, die nach Jodie suchen. Warum, ist natürlich wieder nicht ersichtlich. Fest steht aber, dass sie fliehen muss. Also werfen wir als Aiden ihre Wasserflasche um und wecken sie so auf, der Spieler wechselt zu Jodie, sie beginnt zu rennen. Per Quicktime-Event wird Gegenständen ausgewichen und über umherwirbelndes Gepäck gesprungen. Das Besondere: Obwohl die Szene aussieht wie eine Zwischensequenz, behält der Spieler die volle Kontrolle über Jodie. Wenig später stellt sich ihr ein Polizist in den Weg, ein Kampf entbrennt. Wieder Quicktime-Events. Geht Jodie daraus als Gewinnerin hervor, flüchtet sie aufs Dach, wo sie weitere Cops auseinandernehmen muss. Dazu viel Wind und Regen sowie coole Kameraeinstellungen. Als es keinen Ausweg mehr gibt, springt sie vom Dach des Zuges ins Unterholz der umliegenden Wälder. Das hat gesessen. Vor allem, weil sich das Spektakel grafisch 1A präsentiert.Wieder bleibt keine Zeit zum Verschnaufen, die Cops zerschneiden die Dunkelheit bereits mit den Lichtkegeln ihrer Taschenlampen. Also rennt Jodie wieder los, mittlerweile mit diversen Kratzern und Wunden an Körper und Gesicht. Die Kamera rast der Protagonistin hinterher, den Abhang hinunter, während der Spieler das Steuer übernimmt, Ästen ausweicht und über herumliegende Baumstämme springt. Nach einem kurzen Intermezzo mit ein paar Polizeihunden, die Jodie mit einem Stein erledigt, erreicht sie schließlich die Straße – die allerdings von weiteren Uniformierten, einem Motorrad und ein paar Einsatzwagen versperrt wird. Kein Durchkommen. Also wird per Dreieck-Taste zu Aiden geswitcht, der sich sogleich ins Gehirn von einem der Widersacher schleicht, ihn ein paar Schüsse aus seiner Schrotflinte abgeben lässt und so die Aufmerksamkeit seiner Kollegen auf sich zieht. Währenddessen schwingt sich Jodie auf das Motorrad, gibt Gas und durchbricht wenig später eine SWAT-Straßensperre. Möglich wird das durch ein Energieschild, das Aiden um seine Gefährtin legt, als sie gegen die gepanzerten Polizeiautos knallt.
Cut, neue Szene. Jodie sitzt eingeschüchtert hinter einer Mauer, umzingelt von Elite-Cops. Auf den Dächern Scharfschützen, am Boden eine gefühlte Polizeihundertschaft mit Granaten und sonstigem schweren Gerät. Immer noch nachts, immer noch im strömenden Regen. Wieder übernimmt Aiden. Diesmal gibt es Tote. Der Spieler hat nun die Wahl, wie er Jodie, von der Gefahr befreit. Einen Polizeiwagen gegen die naheliegende Tankstelle schleudern und so eine Explosion auslösen; die Kontrolle über einen der Scharfschützen übernehmen und dessen Kollegen ausknipsen – oder alles zusammen, bis der letzte das Handtuch wirft. Aufwühlend.
Jodie wird zur Mörderin
Games wie Heavy Rain und auch Beyond lassen sich mittels Preview-Fassungen kaum anhand ihrer Spannung, Charakterentwicklung und Erzählstil bewerten. Gerade in der aktuellen Fassung werden diese Attribute kaum beleuchtet, lediglich angedeutet. Auch weil ständig mehrere Handlungswege möglich sind. Was sich aber bereits erahnen lässt, ist, dass Quantic Dreams neuer Software-Auswuchs actionlastiger und auch brutaler sein wird als der geistige Vorgänger. Ein weiteres Beispiel:Ein wenig an Metal Gear Solid 4 erinnernd, schleicht sich Jodie im Tarnanzug vorbei an abgehalfterten Hütten in Somalia während des Bürgerkriegs. Ihr Auftrag: einen Rebellenanführer eliminieren. An ihrer Seite findet sich bizarrer Weise ein Kindersoldat, der ihr Tipps gib. Und nicht nur das ist grotesk, sondern die ganze Situation an sich. Schließlich wird die Protagonistin in der vorigen Szene noch als eingeschüchterter Outsider dargestellt, während sie in der nächsten den Killer für die CIA spielt. Wir sind gespannt, wie Quantic Dream das erklären wird.
Wie dem auch sei: Die Mechaniken bleiben dieselben. Erst erledigt der Spieler als Aiden ein paar lauernde Soldaten und rückt in der Rolle von Jodie vor. Anschließend versteckt sich das ungleiche Gespann aus Jodie und minderjährigem Soldat aber auf der Ladefläche eines Pick-Ups, Aiden übernimmt die Kontrolle über den Fahrer, der Jodie und den kleinen Jungen in die Nähe des Zielobjekts bringt. Dort angekommen, kapert Aiden das Bewusstsein einer patroullierenden Wache, sucht sich in deren Rolle ein Gewehr und richtet im Aufenthaltsraum schließlich ein Massaker an. Als wäre das nicht schon schlimm genug, Jodie ist in diesem Moment sichtlich angewidert und übergibt sich sogar, stürmt die Kindersoldaten-Begleitung in den Raum und bricht vor Trauer zusammen. Wen haben wir da nur umgebracht? Und in welchem Verhältnis standen Kindersoldat und Rebellenanführer? Genau das sind die starken Momente von Beyond - Two Souls. Schlechtes Gewissen pur!
Gute Aussichten
Wer Heavy Rain gespielt hat, war womöglich angetan, wahrscheinlich sogar begeistert von der großartigen Atmosphäre und der grandiosen Story. Andere waren gelangweilt vom simplen Gameplay. Mit Beyond - Two Souls gibt sich Quantic Dream alle Mühe diesen Umstand des inoffiziellen Vorgängers auszumerzen und die Gameplaykomponente ansprechender zu gestalten. Oft verzichtet das Spiel bei Quicktime-Events auf genaue Tasteneinblendungen, stattdessen reagiert der Spieler instinktiv, indem er den Analogstick in eine bestimme Richtung bewegt. Das funktioniert nach kurzer Eingewöhnung erstaunlich gut und gibt dem Spieler ein Stück Freiheit, das er bei Heavy Rain vielleicht vermisst hat. Eine Gameplay-Revolution sollte man dennoch nicht erwarten. Beyond - Two Souls besinnt sich eben auf die Grundmechaniken von Heavy Rain. Der Fokus liegt ganz klar darauf, den Spieler ins Geschehen hineinzuziehen, auch emotional. Das Spiel soll ihn packen. Die höchstwahrscheinlich Hollywood-reife Handlung und die starken Charaktere tragen ihren Teil dazu bei. Schließlich verpflichtet ein Game-Entwickler nicht zum Spaß solche Größen wie Ellen Page und Willem Dafoe – der in den zwei gespielten Szenen übrigens nicht vorkam.Untermauert wird dieser Ansatz von den ultrahoch aufgelösten Gesichtsanimationen, die die Schauspieler vorher per Motion-Capture-Verfahren mühsam aufgenommen haben. Die Ausbeute: Videospiel-Charaktere, die schon fast wie echte Menschen anmuten. Allerdings verlangt wohl genau diese Mimik-Breitseite der betagten PlayStation 3 hardwaretechnisch alles ab, weshalb so manche Textur darunter leidet und auch Popups nicht ausbleiben. Lässt man diese technischen Macken sowie den Mangel an spielerischen Innovationen außen vor, stehen hier alle Zeichen auf Hit.