Der Hollywood-Aufsteiger
Ja, Russells Werdegang ist bislang ein außergewöhnlicher. Und außergewöhnlich ist auch sein neuestes Werk American Hustle, das den realen Abscam-Skandal als Basis aufgreift. Anno 1978 startete das FBI eine Operation, um Diebesgut-Hehler zu überführen. Das Ganze wuchs allerdings zum handfesten Politskandal heran, der mehrere Haftstrafen und Geldstrafen für diverse Politiker nach sich zog. Mittendrin: Der Trickbetrüger Marvin Weinberg – hier unter dem Namen Irving Rosenfeld (Christian Bale). Eben dieser ist zu Beginn von American Hustle Besitzer mehrerer Waschsalons. Das große Geld macht er aber nach Feierabend, wenn er seiner Zweitbeschäftigung als Betrüger nachgeht und gefälschte Kunstwerke verschachert. Oder er leiert in Geldnot geratenen Menschen eine Gebühr von 5.000 Dollar für einen vermeintlichen Kredit ab, den die Schuldner nie erhalten. Irving ist allerdings nicht nur gewissenloser Betrüger, sondern auch treusorgender Familienvater, dessen moralische Grenzen nicht genau abgesteckt sind. Schauspieler, die solch gegensätzliche Charaktereigenschaften authentisch unter einen Hut bringen, sind rar. Christian Bale gehört aber in jedem Fall zu besagter Sorte, die für jede Rolle 100 Prozent geben. Auch körperlich, weshalb der Mime für seine Rolle mal wieder 20 Kilo zugenommen hat.
An Irvings Seite findet sich die wesentlich schlankere, doch nicht minder gerissene Sydney Prosser (Amy Adams). Wahlweise legt die Dame auch einen englischen Akzent auf und nennt sich Lady Edith Greensly – fürs Geschäft. Wie auch Christian Bale wurde Amy Adams für einen Oscar nominiert. Zurecht, wie wir finden. Verkörpert Adams durch ihren gerissenen Charakter doch gleich mehrere Figuren, die sie dem Zuschauer genauso gut verkauft wie ihren Opfern im Film den aufgesetzten Akzent.
Mit dem FBI im Bett?
Natürlich gehen die Tricksereien des Gangster-Pärchens nicht ewig gut. Der FBI-Agent Richie DiMaso (Bradley Cooper) kommt ihnen auf die Schliche und schlägt ihnen einen Deal vor: Wenn sie ihm bei der Überführung korrupter Politiker helfen, kommen sie mit einem blauen Auge davon. Leichtverdiente Immunität, könnte man meinen. Ein inszeniertes Millionengeschäft eines vermeintlichen Scheichs lockt aber nicht nur den Bürgermeister (Jeremy Renner) aus Camden, New Jersey, an, sondern auch dessen Mafia-Freunde. Als sich auch noch Irvings psychotische Ehefrau Rosalyn (Jennifer Lawrence) in seine geheimen Angelegenheiten einmischt und die Operation gefährdet, wächst ihm die Sache über den Kopf. Die Oscar-Preisträgerin (für Silver Linings) versieht ihre Figur mit viel Neurose und Wahnsinn, die im richtigen Moment einer ordentlichen Portion Raffinesse weichen.Bei seiner Inszenierung setzt David O. Russell auf eine facettenreiche und vor Satire-Elementen strotzenden Handlung, die dem Spiel der hochkarätigen Riege jedoch klar untergeordnet ist. Russell gewährleistet so, dass sämtliche Schauspieler durch denkwürdige Momente glänzen dürfen – beispielsweise wenn der ohnehin schon lächerlich wirkende DiMaso mit unzähligen Lockenwicklern in der Badewanne vorgeführt wird. Andererseits sorgt dieser Ansatz aber auch dafür, dass der Erzählfluss ab und an ins Holpern gerät und die ein oder andere relevante Information verschluckt wird.