Wann wird die Gamesbranche erwachsen? Bild: getty images

Zu wenig Innovation

Wann wird die Gamesbranche erwachsen?

Videospiele sind in diesen Tagen so nah am Mainstream wie nie zuvor, allerdings längst nicht von jedem als ernstzunehmendes Medium anerkannt. Warum ist das so?
David Cage, der kreative Kopf bei Quantic Dream, sorgte vor einiger Zeit mit einem gewagten Appell für Aufsehen: Die Games-Branche müsse erwachsen werden, so der Beyond - Two Souls-Schöpfer. Aber ist sie das nicht schon? Schließlich gibt’s wohl nichts Erwachseneres als Entertainment-Produkte ohne Jugendfreigabe, richtig? Nur bedingt, denn es gibt noch mehr, was unter vermeintlichen Erwachsenenthemen wie Waffengewalt schlummert.

Dass zahlreiche Publisher lieber auf bewährten Marken herumreiten als neuen Konzepten eine Chance zu geben, lässt sich an den jährlichen Releaselisten ablesen. Noch geht das Konzept auf, was sich in den Verkaufscharts erkennen lässt. Beispiele gefällig? Activision versorgt den schießwütigen Spieler jährlich mit einem neuen Call of Duty. Mit neuen Modi für den Multiplayer, neuem Setting und schärferer Grafik. Davon abgesehen gibt’s aber keine großen Überraschungen. Ubisoft schickt in ähnlichem Rhythmus Assassinen auf die Bildschirme und verzichtet bis auf Epochen- und Heldenwechsel ebenfalls großzügig auf Neues. Aber genau darauf brennen viele Gamer, auf Neues. Wie lange geht diese Strategie also noch gut?


Games sollen anecken!

Dass ein Game auch ohne auf-Teufel-komm-raus implementierte Super-Gameplay-Mechaniken gut und auch ein finanzieller Erfolg werden kann, zeigt zum Beispiel Naughty Dogs The Last Of Us. Spielerisch liefert der Uncharted-Entwickler ein klassisches Action-Adventure ab, auf Storytelling-Ebene aber eine aufrüttelnde Endzeit-Geschichte, die von simpler Schwarz-Weiß-Zeichnung abweicht. Joel, der Protagonist, trifft falsche – und am Schluss vor allem egoistische – Entscheidungen, die beim Spieler eine gewisse Antipathie auslösen. Mit solchen unangenehmen Momenten wird man vor der Konsole viel zu selten konfrontiert.

Aber auch abseits unkonventioneller Handlungsaufbauten dürften die Entwickler gerne noch deutlich aufmüpfiger werden. Homosexualität, Diskriminierung, Sexismus – die Behandlung solch relevanter Themen sollte nicht nur im Kino und in der Musik stattfinden, sondern auch in Videospielen. Gewalt natürlich auch, sofern sie der Authentizität dient und das Blut nicht nur so zum Spaß spritzt. Die Annährung zum Film ist dabei nicht nur thematisch wichtig, sondern auch auf Produktionsebene. Quantic Dream gibt sich auch hier als Vorreiter. Für Beyond – Two Souls verpflichtete der Entwickler die Hollywood-Darsteller Ellen Page und Willem Dafoe und brachte deren Mimik und Gestik per Motion-Capture-Verfahren ins Spiel. So, wie es zum Beispiel auch bei Marvels The Avengers für den Hulk angewandt wurde.


Wie viel Gameplay braucht ein Spiel?

Quantic Dream rückt die Arbeit am Controller mit Heavy Rain und noch mehr mit Beyond - Two Souls klar in den Hintergrund. Der Spieler wird zum Zuschauer, der ab und an ins Geschehen eines interaktiven Films eingreift. Das gefällt verständlicherweise nicht jedem. Und das muss es auch nicht. Schließlich sind Geschmäcker verschieden und jeder soll das spielen, worauf er Lust hat. Im Kino laufen schließlich auch nicht nur Woody-Allen-Filme, sondern auch welche von Michael Bay und Justin Lin. Nur steht aktuell einfach zu viel Glattgebügeltes, in den Regalen der Händler. Und zu wenig Gegen-den-Strich-Gebürstetes. Wenn sich der ein oder andere Publisher traut, gängige Muster und Genredenken über Bord zu werfen, das Verhältnis zwischen Gameplay und Handlung verrückt, dann verbessert sich das Ansehen der Branche auch weiterhin. Und irgendwann kommen Videospiele vielleicht wirklich in der Mitte der Gesellschaft an.

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